Remo MüllerMyanmarLeave a Comment

Ich sitze an einem runden, alten Holztisch, es gibt Burmesische Küche. Reis mit Fisch und Gemüse. Die essen jeden Tag das selbe. Von weitem ist das Rauschen des Meeres zu hören, wie die Wellen das Land erreichen. Regelmässig hört man Kokosnüsse, wie sie auf den Boden aufschlagen. Am Tisch wird laut geschmatzt und gerülpst, es ist völlig normal hier. Es ist dunkel, das Kerzenlicht sorgt für etwas Charme. Der Raum ist dunkel, fensterlos, nach vorne offen. Von aussen sieht das Häuschen solide aus, von innen hingegen, ist es eine rustikale, primitive Angelegenheit. Als Boden wurde etwas Beton auf die Erde geschüttet, dieser dann flachgedrückt, voila. Der Tisch steht auf einer etwas erhöhten, nicht von einem ausgebildeten Schreiner gefertigten Holzkonstruktion. Die Holzlatten der Wände sind dunkel, teils schon etwas morsch. Der Raum hat den Charme eines Stalls, ist aber trotzdem irgendwie gemütlich. Auf der Karte bin ich im Niemandsland, in der Realität bei Verwandten von Aung, im kleinen, weit abgelegenen Dorf «Nathahu».

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Aung Latt ist 36 Jahre alt und wohnt in Myaungmya, im Südwesten Myanmars. Ich treffe ihn im Bus, von Yangon, mit fünf Millionen Einwohnern Myanmars grösster Stadt, nach Pathein, der Hauptstadt des Ayeyarwady-Deltas ganz im Südwesten. In dieses Gebiet verirren sich nur ganz selten Touristen. Darum bin ich hier, Berichte über diese Gegend haben mich gwundrig gemacht. Hier kommen viele Flüsse zusammen, werden breiter, bis sie schliesslich ins Meer münden. Aung spricht mich an, fragt, was ich hier mache und so. Ich bin überrascht von seinem Englisch, Burmesen sprechen sonst kein Englisch. Aung ist mir schnell sympathisch, er hat eine liebe Art, einer dieser Menschen, dem man nichts Böses zumutet. Aber langsam, erste Eindrücke können täuschen, sagt mir meine kritische Stimme.

Aung meint, dass Pathein nichts besonderes sei, aber er könne mir eine wunderschöne, von Reisenden unentdeckte Region zeigen. Er zeigt mir Bilder von einem Traumstrand auf seinem Smartphone. Der Strand auf dem Bild sieht schon fast kitschig aus. Ich frage Aung, ob er mich wirklich dorthin mitnehmen könne. Ich bin mir etwas unsicher, was steckt dahinter? Was ist sein Interesse? Dauert doch die Fahrt vier Stunden auf seinem Scooter. Aung sagt: «Wenn du nicht so der Luxus-Typ bist, der warmes Wasser und ein richtiges Bett braucht, dann kann ich dir etwas zeigen, was Auswärtige sonst nicht zu Gesicht bekommen.» Der Ort den mir Aung auf der Karte zeigt, wo dieser Strand und diese Dörfer sein sollen, ist auf meiner Karte inexisten, Niemandsland. Verschleppt mich Aung nun in den Dschungel, wo ich von Menschenfressern grilliert werde? Irgendwie habe ich dieses Bild im Kopf, ich am Spiess und Burmesen tanzen und lachen um mich herum und freuen sich auf das Festmal. Burmesen haben da schon gewisse Ähnlichkeiten mit dem Menschenfresserbild, dass ich in meinem Kopf habe. Vielleicht gelten dort ja Weisse als ein besonderer Leckerbissen, für das Aung viel Geld bekommt. Seich, ich vertraue Aung. Der Gwunder ist eh viel zu gross.

Aung zeigt mir zuerst Pathein, das nun wahrlich kein Highlight ist. Ein Städtchen dass so langsam aus der burmesischen Steinzeit erwacht. Zwar immerhin so gross wie Zürich, provinzieller aber nicht daherkommen könnte. Sie ist vor allem für ihre handgefertigten Dekorativ-Schirme bekannt. Sogar Schirm-Workshops kann man hier besuchen, wo man sieht, wie man diese – ausser als Dekoration völlig unnützen – Schirme herstellt. Während ausserhalb von Pathein Reisbauern mit Ochsen und Karren auf den Feldern arbeiten, wurde im Zentrum gerade das erste mit Marmorboden und psychologisch durchdachten Sortimentsordnung ausgestattete und auf Metzgerei-Kühlraum heruntergekühlte Einkaufszentrum eröffnet. Da fühlst du dich Hundert Jahre zurückversetzt und plötzlich – bäng – steht da so ein moderner Bau. Für die Menschen hier wohl ein Kulturschock, mitten in der eigenen Stadt. Pathein, nett für einen halben Tag. Aber die Reise mit Aung geht los.

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Reise ins Ungewisse

Ich habe keine Ahnung was da passieren wird. Ich weiss nur, dass er in diesem Dorf da ganz unten am Meer Verwandte hat, eine Fischersfamilie. Die leben von dem, was die Natur hergibt. Und ich weiss, dass da alles andere als Luxus auf mich zukommt. Ich bin ausgerüstet mit zwei frischen T-Shirts, Smartphone, etwas Geld, Badehose und meinem Zahnbürsteli. Der grosse Teil des Gepäcks lasse ich bei Aungs Bekannten in Pathein zurück, da ist nicht viel Platz auf dem Roller. Ich sei morgen Abend wieder zurück, meint Aung.

imageDie ersten zwei Stunden sind recht angenehm, solide geteerte Strassen und wunderschöne Landschaften: Hügelig und grün. Aber, aus Strasse wird Kiesweg, aus Kiesweg wird knapp als solcher erkennbarer Wanderweg. Vorbei an nun wirklich völlig abgelegenen Stelzendörfern, die Werkzeuge benutzen, die bei uns bei archäologischen Ausgrabungen gefunden werden. Viele dieser Menschen haben kein Geld, sagt mir Aung. Sie leben vom Tauschgeschäft. Der Eine beackert sein Reisfeld, der andere hütet seine Büffelherde, wieder ein anderer hat eine Holzsäge, für den Bau von Häusern. So leben die ein Leben, wie bei uns vor hunderten von Jahren, Stunden weg von städtischer Zivilisation. Wir fahren durch Wälder, vorbei an wilden Elefanten, riesigen Büffeln, Ziegenherden, toll. Der Kiesweg wird immer schmaler, holpriger, ich fühle mich durchgeschüttelt, es tut alles weh. Das Unschöne dabei ist: Es geht nochmals eine Stunde, der Weg wird nicht besser, im Gegenteil. imageNach gefühlten zehn Stunden kommen wir an einen Fluss, es riecht nach Salz, der Fluss mündet hier ins Meer. Es gibt keine Strasse direkt ins Dorf, wir kommen nur mit einer Fähre zum Dorf. Fähre? Wir sind im Nichts, ein paar Stelzenhäuser stehen am Fluss. Und da kommt jetzt wirklich eine Fähre? Aung hupt wie verrückt mit seinem Roller, damit der Fährmensch auf der anderen Seite weiss, dass da jemand rüber möchte. Nach einer halben Stunde kommt ein langgezogenes Nussschalenboot dahergetuckert. Und das soll uns jetzt samt dem Roller über den Fluss hieven? Kaum. «Here it is», meint dann Aung. Über eine Holzrampe schieben wir den Roller dann tatsächlich auf dieses Böötchen und hopsen auch noch drauf. Wir fahren über den breiten Fluss, er mündet an dieser Stelle ins Meer. Palmen, blaues Wasser und wir samt Roller auf dieser Nussschale, links der Fluss und rechts, die Unendlichkeit des Meeres. Auf der anderen Seite angekommen, kommen die unschönsten Minuten auf dem Roller. Nochmals zwanzig Minuten durch hügeligen Palmenwald und Matsch, es ist inzwischen dunkel. Ich sehe mich schon mit eingeklemmten Bein im Schlamm liegen. Plötzlich halten wir: «Did it», meint Aung, ich sehe nichts, schalte mein Handylicht ein. Aung stellt den Motor ab, ich höre das Meer rauschen.

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Der Fährmann

Wir laufen zum Häuschen, es ist gegen vorne offen. Eine Wand ist solide aus Backsteinen gebaut, die anderen Wände aus Holzlatten, es hat keine Fenster. Wir betreten das Haus, eine neun-köpfigen Familie sitzt da auf Plastikstühlen, sie begrüssen Aung, freuen sich sichtlich über sein Besuch, alle strahlen. Und vor allem so scheint es, freuen sie sich über den Gast. Die Mutter begrüsst mich strahlend, sie fühlt sich sichtlich geehrt, einen Weissen als Gast zu empfangen. Aung erklärt mir später, dass das für diese Menschen etwas ganz Besonderes sei. Ein Dorfbewohner der mal mit einem Weissen, einem Westlichen, gesprochen hat, ist etwas Besseres. Wer sogar ein Foto besitzt, mit einem reichen Menschen aus der Ferne, der hats definitiv geschafft. Aung wird offensichtlich wie etwas Besseres behandelt, er geniesst den Rum. Ganz alle freuen sich aber nicht: Der Kleinste, ein etwa drei-jähriger Bub schaut mich mit grossen Augen an, Schockstarre. Ich strahle ihn an, gehe noch ein Schritt auf ihn zu und sage «Mingalabar», das heisst Hallo auf burmesisch. Das Bübchen beginnt nicht zu weinen, er schreit wie am Spiess. Diese geballte Ladung an weisser Haut, blonden Haaren und blauen Augen ist dem Kleinen zu viel. Der älteste Sohn, im Teenager-Alter, nimmt nicht einfach irgend eine Kokosnuss, er liesst die allergrösste aus, wischt sie noch etwas ab mit einem Lappen, und schneidet sie mir dann auf. Ich habe noch nie so eine grosse Kokosnuss gesehen, grösser wie ein Fussball. Ich bedanke mich herzlich, sogar in der Karen-Sprache, die sprechen nicht burmesisch hier. Diese Ethnie, dieses Volk heisst Karen, haben ihre eigene Sprache. Es ist die beste Kokosnuss die ich je gehabt habe, und gehaltreichste. Da hats etwas einen halben Liter Milch drin, hört nicht mehr auf. Ich bin nicht in der Hälfte da steht schon die nächste bereit. Da sitzen wir in diesem Stall, es wird geredet und gelacht, ich verstehe nichts, sitze etwas verloren da, bin totmüde. Wo schlafe ich ächt heute? Diese Frage interessiert mich im Moment am meisten. Ich will aber nicht unhöflich sein, warte mal bis alle eh ins Bett gehen, Aung wird es mir dann schon sagen. Ich schraube meine Erwartungen extra tief. Und dann ist es soweit, Aung fragt mich, ob ich müde bin. Er schmeisst eine Decke auf den Holzlattenboden. «Das ist deine, ich brauche keine», meint Aung. Voila, wir schlafen auf dem Boden, check. Ich will es gar nicht anders, alles andere wäre nicht authentisch. Ein Tag geht zu Ende, ein Abenteuer beginnt.

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Meine Familie in Nathahu

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Halbinsel bei Nathahu

Der nächste Morgen
Tagwach fünf Uhr. Hier steht man auf wenn die Sonne aufgeht. Und geht zu Bett wenns dunkel ist, meist so nach sieben Uhr Abends. Es geht fischen, von dem lebt die Familie. Das Haus steht im Palmenwald, von weitem funkelt das hellblaue Meer durch die Palmen. Gefischt wird hier nicht mit Rute und Sänkernetz, sondern etwas altertümmlicher. imageZuerst werden die Schrimps mit einer speziellen Netz-Konstruktion mit so Bambusstäben vom untiefen Sandboden gekratzt. Schwierig zu erklären wies genau funktioniert – darum, Bild anschauen. Da sind etwa zwanzig Männer vom Dorf, die da diese Netz-Konstruktion vor sich herschieben. Auch Krebse können so gefangen werden. Der Strand ist der absolute Wahnsinn: Breit, feinsandig mit hellblauem Wasser. Traumhaft. Für diese Menschen hier ist das ganz normal, sie leben einfach hier. Die liegen nicht an den Strand, haben keinen Sonnenschirm und ein schickes Badetuch. Das Meer ist hier vor allem Nahrungsquelle. Nach dem Fangen der Shrimps gehts fischen, so richtig. Man nehme einen Holzspeer, spitzt diesen, und knotet auf der anderen Seite eine Gummischleife ran. imageDann, ganz wichtig, braucht es einen grossem Stein, voila, bereit, naja fast. Natürlich brauchts auch ein Schiff: Mit einem hölzernen Fischkutter aus Seeräubers Zeiten gehts raus aufs Meer, vorbei an felsigen Inseln, bis es etwa 20 Meter tief ist. Der Fischer ist Aungs Cousin, der Vater meiner Gastfamilie – sein Name ist Ko. Er montiert sich eine uralte Taucherbrille, sie umfasst die Augen und die Nase. Auf Augenhöhe festgemacht ist ein grüner Schlauch, er ist 30 Meter lang, ich würde ihm nicht im Traum trauen. Ko gleitet mit seiner Hand durch die Gummischleife, haltet den Speer, und mit der anderen Hand den Stein, damit er sich unter Wasser halten kann. imageDann taucht Ko ab, der Schlauch an Deck wird immer kürzer, er taucht tiefer und tiefer. Dann spaziert er auf dem Meeresgrund umher, haltet nach Beute Ausschau. Im Anschlag, der gespitzte Holzspeer. Ich warte mit Aung und einem anderen Typen im Boot. 20 Minuten später kommt Ko zurück. Am Speer aufgespiesst sind zwei so stachelige Ballonfische, die sich aufblasen können. Auch zwei Langusten und ein paar grosse Krebse haben sich nicht vor Ko retten können. Er freut sich mit seinem Freund, es scheint keine schlechte Ausbeute zu sein.

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Nach dem Fischen waschen wir uns im Meer. Es ist das ähnliche System wie auf dem Katamaran von Panama rüber nach Kolumbien. Mit Seife einschaumen, zurück ins Meer gehen und den Schaum abwaschen und dann mit etwas Süsswasser das Salzwasser abspühlen. Sauber und fast kein Wasser verbraucht. Dann gehen wir zum Frühstück. Hier isst man jeden morgen das Selbe. Reisnudelsuppe mit viel Knoblauch und Chilli, eine Spezialität von hier. Ich bin Fan, das ist sooo gut!! Dazu zwei Mini-Mandarinen, um das Feuer nach der Chilliladung zu löschen. Ich frage Aung, wie denn die Reisnudeln hier her kommen, kommt da ab und zu eine Ladung von Pathein? «Sicher nicht», meint Aung. «Das wird alles im Dorf gemacht!» Aung ist ganz aufgeregt: «Ich zeige es dir nachher!» Wir laufen zusammen durchs Dorf, Aung kennt die meisten hier. Er ist oft bei seinen Verwandten. Seine engsten Familienmitglieder, Eltern und Bruder mit Familie, sind vor fünf Jahren nach Perth, Australien geflüchtet. Aung blieb: «Ich konnte meine Heimat einfach nicht verlassen.»

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Wir laufen durch das Dorf, das grosse Starren ist angesagt, Aung läuft stolz neben mir. Ich trage den Longyi, den burmesischen Männerrock. Ein Westlicher, der auch noch ihren Nationalrock trägt, das bringt viele nicht mehr aus dem Staunen heraus. Ich fühle mich wie ein wandelnder Leuchtturm, der auch noch seine Scheinwerfer eingestellt hat. Wir erreichen die Reisnudelproduktion, ein mit Palmenwedel überdeckter Unterstand, mit hölzernen Küchenutensilien. Zwei kleine, buckelige Frauen rühren in zwei grossen Töpfen so eine milchig, dickflüssige Masse.

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Reisnudelproduzentin

Aung erklärt mir, dass das Reis sei. Wenn man Reis mit etwas Öl im kochendem Wasser kocht und kocht und kocht, und rührt und rührt und rührt, dann wird das irgend wann flüssig. Diese Masse wird dann durch eine hölzerne, handgefertigte Spaghettipresse gedrückt. Voila, Reisnudeln. Irgendwie lustig der Gedanke, aus Reis Nudeln zu machen. Aber auch sehr verständlich. Wenn man jeden Tag Reis essen muss, dann würde ich mir auch irgendwann Gedanken machen, was man daraus auch sonst noch so anstellen könnte…

Im nächsten, etwas grösseren Dorf zeigt mir Aung wie Reis verarbeitet wird, da gibts sogar eine kleine Fabrik. Die Reiskörner werden von ihren Hülsen getrennt. Durch das Verbrennen dieser Hülsen wird Energie gewonnen, welche wiederum für die museumsreifen Maschinen verwendet wird. Ökologisch und ökonomisch vortschrittliches Denken im Palmenwald. Surreal, beeindruckend.

Reisnudelproduzentin, Fischer, Fischernetzstricker, Palmenwedelverarbeiterin, Schreiner, Reisbauer, Motorradmechaniker, Zapfhahnwartin, Korbflechterin. Das sind so die Jobs die die Menschen hier ausüben. Ah und den Kokosnussmann gibts natürlich auch noch. Der steigt pro Tag auf 40 Palmen und holt die Kokosnüsse runter. Ich käme nicht auf eine rauf. Und wenn ich es dann bei einer Palme ganz hoch schaffe, kriege ich Höhenangst, komme nicht mehr runter, oder wäre dann konditionell am Ende. Der Typ steigt da rauf wie ein Äffchen, wenn er dann ganz oben ist, lehnt er in Richtung einer anderen Palme, steigt dann auf diese rüber und klettert so von Palme zu Palme und holt die Kokosnüsse runter. Wenn die nächste zu weit weg ist, muss er runter und wieder hoch klettern. Spannender wie ein Actionfilm, dem zuzuschauen.

imageZwischendurch besuchen wir Bekannte von Aung. Ich habe Einblick in das Leben von Familien, in verschiedene Berufe. Ein Einblick in ein Leben, eine Lebensart, eine Denkweise, die mich fasziniert und beeindruckt. Warum ermöglicht mir das Aung? Voller Begeisterung zeigt er mir alles, ab und zu nehmen wir eine Abkühlung im Meer, sprechen über Gott und die Welt. Die Gespräche bleiben meist eher oberflächlich, tiefere Gespräche lassen Aungs Sprachkenntnisse nicht zu. So habe ich bis am Schluss nicht ganz verstanden, was er eigentlich arbeitet. So wie ich es verstanden habe ist Aung Schülerhelfer. Das grösste Problem hier unten, ganz im Südwesten von Myanmar ist die Schulbildung. In einigen Dörfer gibt es Primarschulen, von der ersten bis zur vierten Klasse. Die meisten Kinder gehen hier also nur vier Jahre zur Schule. Weil die Mittelschule und Oberstufe also von fünft bis zwölften Klasse, nur in grösseren Dörfern gibt. Wenn überhaupt. Und das können die aller wenigsten finanzieren. Die Kinder wären dann während den Wochentagen stundenweit weg, in einem grösseren Ort. Pro Jahr und Kind kostet das laut Aung 300 Dollars. Die meisten Menschen hier haben noch nie so viel Geld gesehen. Und dazu kommt, dass die Familien ihre Kinder gar nicht so weit weg geben wollen. Aung wird dann von den Schulen kontaktiert, wenn ein Kind besonders begabt ist, aber das Geld fehlt. Aung treibt dann irgendwie Geld auf. Und genau das habe ich noch nicht ganz verstanden. Wo zum Hänker kommt dieses Geld her? Aung hat ein Netzwerk, kennt viele Menschen. So wie ich das verstanden habe, zapft er diese bei Bedarf an. Aung selber lebt von seinem Bruder in Australien, der schickt ihm gelegentlich Geld. Aung wohnt in Myaungmya, einem vier Stunden entfernten, grösseren Städtchen. In seinem kleinen Haus leben drei Schüler, die ursprünglich von einem kleinen Dörfchen sind, in Myaungmya aber in die neunte Klasse gehen. Dafür kriegt Aung etwas Geld. Aber er selber hat fast nichts, die etwas besseren Zimmer sind für die drei Buben, Aung selber schläft auf dem Holzboden. Er sagte mir: «Die Leute meinen immer, ich sei ein reicher Mann, aber eigentlich bin ich mausarm. Aber das Helfen macht mich reich.» Ohne seine Familie in Perth, die ihn unterstützt, könnte er das Leben hier nicht finanzieren. Aber dank dem, kann er seine Energie dafür einsetzen, begabten Schülern zu helfen, damit sie in die Schule gehen können. Ich bin beeindruckt, frage mich aber auch, kann man so selbstlos sein? Ja, kann man. Ich glaube Aung. Ich habe gesehen wie er einer unendlich dankbaren Familie umgerechnet 300 Dollar vorbeigebracht hat. Da sind Tränen geflossen. Auch wenn ich möglicherweise als Teil dieses Netzwerks geplant bin, ich finde es toll, was Aung macht. Wie ist das Geld besser ausgegeben, wie einem Kind zu ermöglichen, in die Schule zu gehen?

imageMeine Reise mit Aung geht zu Ende. Aus zwei, wurden vier Tage. Aung hat mir auch sein Städtchen gezeigt, ich habe mit seinen Freunden Badminton gespielt, dabei mich von kleinen Kindern fertig machen lassen. Aung hat mir während vier Tagen einen Einblick gegeben, in ein Leben von Menschen, der mich bereichert hat. Die Herzlichkeit rührt und berührt mich tief. Ich drücke Aung am Schluss umgerechnet Hundert Franken in die Hand. Aung wollte es nicht, ich sei ein Freund, er möchte kein Geld von mir. «Aung, das ist nicht für dich, das ist für deinen nächsten Schüler», sage ich Aung. Wir umarmen uns.

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