16.1.2016
Es hat begonnen meine Reiserei. Und wie. Ich sitze hier mitten im Jungle, esse Bratwurst, sehe den Schildkröten zu wie sie nach Luft schnappen und aus den Lautsprechern ertönt Patent Ochsner. Aber alles der Reihe nach.
Um vier Uhr morgens ist es losgegangen. Eine gut sechstündige Busfahrt von Antigua ganz in den Osten des Landes nach Rio Dulce. Ich habe den Car, also den grossen Bus gebucht. Und dafür sehr gerne ein Zehnernötli mehr bezahlt. Ich habe nach dem Abschlussabend in Antigua etwa zwei Stunden geschlafen, konnte im Bus noch etwas nachholen.
Ich habe ein Hostel gebucht, Casa Perico heisst es. Und liegt im Dschungel bei Rio Dulce. Ich habe extra etwas ausserhalb gebucht, brauche Ruhe nach dem ganzen Schulstress in Antigua :).

Rio Dulce
Ich steige mit dem Puli aus dem auf Eiszapfentemperatur heruntergekühlten Bus. Die Hitze erschlägt mich fast. 35 Grad und hohe Luftfeuchtigkeit. Ich bin mich an das kühle Antiguaner 16grad-Bergklima gewohnt.
Zwei Minuten Fussmarsch vom Bushof aus wartet bereits das Hostelschiffli auf mich. Es geht raus auf den breiten Fluss. Rechts und links Jungle. Plötzlich biegt er links ab. Wir fahren mit dem Schiff durch die Wälder, das erste Mal bin ich sprachlos. Das ist sooo toll. Dann bin ich am Ziel, beim Hostel «Casa Perico». Mitten im Fluss-Jungle steht da ein Haus, umgeben von kleinen Häuschen, gebaut auf Holzpfeiler. Ich bin völlig aus dem Häuschen.
Dem können keine Worte gerecht werden, keine Postkarte kann das rüberbringen.
Das Boot legt an. An der Bar werde ich begrüsst: «Grüezi Herr Müller, willkommä», sagt der Mann schmunzelnd. Das Haus wird von Schweizern geführt. Zwei Kollegen aus Luzern die vor 18 Jahren ausgewandert sind und dieses Paradies aufgebaut haben. Ich habe eine Nacht gebucht. Möchte morgen weiter, nach Belize. Bruno, einer der Besitzer zeigt mir das Zimmer. Eine Wucht!!
Es ist ein Holzhaus aus Bambus mit Palmenblätterdach. Ich habe ein Dachzimmer, es ist offen. Ich sehe in den Jungle. Also auf den Flussjungle. Ich gehe über die Holztreppe wieder runter, setze mich an einen Bambustisch. Es ist Mittag. Ich schaue in die Karte, bestelle mir eine Bratwurst an Zwiebelsauce mit Rösti. Dann sitze ich wartend da, bin völlig überwältigt. So in einem «ich komme nicht mehr aus dem Staunen heraus-Modus.»
Es läuft Frank Sinatra mit «Love`s been good to me». Im Wasser schnappen Schildkröten nach Luft. Es ist ruhig, Bruno sitzt an der Bar, schaut etwas nach in seinem Bestellungsbuch. Da ist noch so ein alter Typ, mit langem weissen Bart, er liest in einem Buch. Ich merke sofort, hier tickt die Uhr anders. Hier gibt’s nie Stress. Geht gar nicht. Ich höre nach wie vor nur die Musik, sie passt so fest nicht, dass sie eben schon wieder passt. Frank Sinatr…nein inzwischen ist es Scharlachrot von Patent Ochsner. Dazu hört man den Jungle, die Tiere, die Grillen. Ab und zu pflutscht es, wenn ein Fisch aus dem Wasser springt. Beim Essen sehe ich einen jungen Typ mit Bart, so in meinem Alter, etwas alternativ gekleidet. Er nimmt sich ein Kanu und fährt einfach weg. Ich frage Bruno, wohin der denn geht. Bruno zeigt mit die kleinen Schiffli. Ich können einfach jederzeit eins nehmen und zum Floss raus, auf den See paddeln. Das gehöre zu ihnen. Das sei quasi ihre Beach. Ich kanns nicht erwarten, will meine Bratwurst mit übrigens bester Zwiebelsauce ever, schnell verschlingen. Der alte Mann mit weissem Bart schaut mich etwas schräg an. «Dieser gestresste Typ aus der Zivilisation», denkt er sich bestimmt. Okay, easy Remo, eins nach dem anderen. Hier macht man nichts schnell.
Ich nehme das rote Kanu, paddle los. Es ist so unglaublich toll.. Im freakin` out… Ihr kennt das Gefühl: man hat so fest Freude, sie muss irgendwie raus, ich muss jetzt schreien oder weinen vor Überwältigung. Ich sage euch jetzt nicht, für was ich mich entschieden habe.
Ich paddle weiter durch den Jungle aufs Floss, springe mal zuerst ins perfekt temperierte Wasser. Später kommen dann noch zwei Berner, zwei Neuseeländer und eine Engländerin aufs Floss.
Eigentlich muss ich Bruno noch fragen, wie ich am besten nach Belize komme. Habe ja nur eine Nacht geplant hier. Mir wird klar, ich werde die Antwort auf diese Frage nicht mehr brauchen. Eine andere Frage drängt sich auf: Wie viele Tage kann ich HIER bleiben? Ich lasse nun Belize aus, und bleibe drei Nächte im Perico, bis am Montag. Am liebsten noch viel länger.