Remo MüllerMyanmarLeave a Comment

Ich betrete das Hostel. Hinter der schmuddeligen, kleinen Receptionstheke sitzt ein dicker, vor Schweiss triefender Typ. Ich schätze sein Alter auf 58. Er sieht zwar älter aus, ungepflegte Menschen sehen aber meist älter aus. Der Halb-Chinese, wie er mir verrät, hat eine Glatze, seine verbleibenden, fettigen Seitenhaare sind nach hinten gekämmt. Ausserdem rasiert er sich offenbar ohne Spiegel. Auf beiden Backen hat er je sechs-sieben Haare vergessen, sie sind inzwischen auf etwa acht Centimeter angewachsen. Es ist einer dieser Menschen, der äusserlich nun wirklich gar nichts hat, das als attraktiv eingestuft werden könnte. Mit einem freundlichen «Hello» werde ich begrüsst, gefolgt von einem von tief unten kommenden, zum Operngesang ausholenden, Rülpser. Als wollte er mir zeigen, wie toll und lange er rülpsen kann. «Willkommen in Myanmar», fügt er an. Der Mundgeruch erinnert mich an den Moment, als ich als Teenager im Keller ein Körbchen mit Ostereier gefunden habe, die mir Mami vor zehn Jahren mal besonders gut versteckt hat. Mit einem «Es ist schön hier zu sein», versuche ich meine Schock-Starre zu überspielen.

Myanmar ist anders. Der Burmese kennt unsere westlichen Gepflogenheiten nicht. Mehr dazu in einem der nächsten Einträge. Noch zum Verständnis: Das Land heisst seit 1989 offiziell Myanmar. Auch wenn die USA und Grossbritannien immer noch den alten Namen Burma benutzen. Ich rede von Mynmar, nenne den Mensch aber Burmese, weil Myanmarer einfach etwas komisch klingt.

Vorfreude

Was habe ich mich gefreut auf dieses Myanmar. Es sei eines dieser wenigen Länder, habe ich gehört, welches bis jetzt von den ganz grossen Touristenmassen verschont geblieben ist. Einer dieser Länder, wo du als Weisser noch angestarrt wirst, wie ein indianischer Stammeshäuptling auf der Winterthur Steiberggass. Und einer dieser Länder, das ganz einfach noch ursprünglich ist. Es klingt für mich nach einem Traumland, es scheint alles zu haben, was ich toll finde. Ich merke grad, wie meine Erwartungen – ohne dass ich das beeinflussen kann – hoch sind. Aber, auch hohe Erwartungen können übertroffen werden. Auf ins Abenteuer Myanmar.

Thailand – Myanmar

Ich laufe über die Freundschaftsbrücke zwischen Mae Sot, Thailand und Myawaddy, Myanmar. Erst seit kurzem ist die Überland-Grenze zwischen den beiden ehemaligen Feinden überhaupt passierbar. Nach wie vor kommen aber die meisten Reisenden über die Luft nach Myanmar. Mein erstes Ziel heisst Hpa-an, das «H» wird nicht ausgesprochen. Für mich gilt es vor allem als Zwischenziel, ich möchte möglichst rasch weiter in die Weltmetropole Myanmars, nach Yangon.

Hpa-an nur ein Zwischenziel? Die erste Überraschung.

Nur schon die Fahrt von der Grenze nach Hpa-an ist atemberaubend. Vorbei an burmesischen Palmenblätter-Dörfern, überfluteten Reisfeldern und saftig grünen Hügel. Sie wirken, als wären es Meteoriten, die mal hier eingeschlagen haben. Denn eigentlich ist das ganze Gebiet holländisch flach. Es liegen einfach berggrosse Felsen herum, die durch üppig grüne Wälder bewachsen sind. Auf den Spitzen ragen goldene Pagoden über die Bäume. Es ist eine spezielle, mystische Stimmung, die überwältigt. Bizarr-spektakulär. Ich könnte das jetzt mit blumigen und besonders kreativen Wörtern beschreiben, aber nach acht Monaten Reisen, gehen mir langsam die Superlativen aus. Darum hier Bilder:

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Die Nacht im Gästehaus von Hpa-an kostet 5 Dollars. Ich kriege dafür eine durchgesessene Schaumstoffmatte im Gemeinschaftsraum, die einer Yoga-Matte näher kommt, als einer Matratze. Dazu kommt eine Steckdose, in der der Stecker nicht hält. Ich könnte jetzt die ganze Nacht dort sitzen und den Stecker halten, ich nehme aber Klebeband. Im Hostel lerne ich Saskia, Tina und Sanne kennen, aus Holland. Sie überzeugen mich, für eine Nacht mit ins Kloster zu kommen, auf einer der Bergspitzen um Hpa-an. Dort könne man mit den Mönchen essen und schlafen, in einem Gästezimmer des Klosters. Klingt interessant!

Eine Nacht im Kloster

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Aufstieg

Das ganze Abenteuer setzt eine sportliche Grundfitness voraus. 900 Höhenmeter in zwei Stunden, das Ganze bei etwa 37 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von etwa 95%. Ein schweisstreibende Angelegenheit. Zwei Stunden gigantisch hohe Treppen, fast senkrecht, immer Richtung Himmel. Vorbei an hunderten von Buddha-Figuren. Bereits nach zwanzig Minuten sind wir pflotschnass, haben laternenrote Köpfe und machen uns mit flotten Sprüchen gegenseitig Mut: «Weisst du, das muss etwas hart sein, umso stolzer sind wir dann, wenn wirs geschafft haben.» Mit zunehmender Höhe nimmt die Temperatur ab, dazu kommt der abkühlende Wald und der Nebel, der das Ganze etwas angenehmer gestaltet. Und: je höher, desto spektakulärer ist die Aussicht, die die Anstrengungen vergessen lässt.

Oben, im buddhistischen Kloster angekommen, heisst uns ein Mönch willkommen. Ein Kind zeigt uns dann den Schlafraum. Ein langgezogenes Blechhaus mit zwölf Betten, harte Betten, aber das bin ich mir ja von letzter Nacht gewohnt. Draussen turnen Affen herum, Krebse und Frösche hausen ebenfalls auf der Spitze des Mount-Zwegabin. Es windet und ist kalt. Die Wolken ziehen in einem Affenzahn über die grünen Hügel, verziehen sich, pünktlich auf den Sonnenuntergang. Und dann, ihr ahnts, kommt ein magischer Moment, wie ich ihn noch nie so erlebt habe. Die Strahlen der roten Abendsonne kämpft sich durch die Wolken. Wir stehen da, neben der riesigen goldenen Pagode des Klosters, umgeben von einem ganzen Affenrudel, wir können nicht fassen was wir sehen. Das bizarre Dinosaurierland wird rotstichig. Es ist ruhig, der Wind weht sanft, das erste Abendgebet der Mönche erklingt von weitem. Mystisch, ein Moment der gut tut, eine innere Zufriedenheit auslöst, tief berührt.

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Zwei unglaubliche Tage, die beide unter die Kategorie Top-Ten-Highlights seit meinem Reisebeginn im Januar einzuordnen sind. Und dass an einem Ort, der eigentlich nur als erstes kurzes Zwischenziel gedacht war. Wow. Was kommt da noch in diesem Myanmar…..?!

Ach ja, Mann trägt hier Rock. Longyi (Longschi ausgesprochen) heisst das Ding und wird von den aller meisten Männer getragen. Ist noch praktisch, man kann ihn kurz oder lang tragen. Auch so etwas wie Hosen kann man daraus machen. Eine Wissenschaft für sich ist der Knoten. Es gibt da den Altherrenknoten oder die moderneren Varianten. Ich musste ohni Seich Stunden üben bis ich einer der coolen drauf hatte. Und wenn ich das Ding schon trage, dann richtig. Gefällt mir übrigens wirklich der Longyi! Finde hat Style, der Burmese.image

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